Nur vier Monate lang erlaubt?

Balkonkraftwerk-Trick: Stromzähler darf rückwärts laufen

Seit Inkrafttreten des Solarpakets I werden rückwärts drehende Stromzähler bei Balkonkraftwerken vorübergehend geduldet. Was sind die Vorteile und wie lange geht das noch?

Mechanischer Drehstromzähler im einem Stromkasten
So sehen die Stromzähler noch immer aus in vielen deutschen Kellern – im Stromkasten ist ein sogenannter Ferraris-Zähler mit einer magnetischen Drehscheibe installiert, die sich mal schneller und mal langsamer dreht. Foto: Imago Images/Martin Bäuml Fotodesign
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Am 16. Mai letzten Jahres trat das von vielen Photovoltaik-Befürwortern mit Spannung erwartete Solarpaket I in Kraft – damit wurden die Rahmenbedingungen für den Betrieb von Balkonkraftwerken in Deutschland spürbar vereinfacht. Viele Aspekte rund um die angehobene Leistungsgrenze, die Duldung des Schuko-Steckers, die vereinfachte Anmeldung oder den Status von Steckersolargeräten als „priviligierte Maßnahme“ im Mietrecht hat selbst.de bereits in diesem Ratgeber für Sie zusammengefasst.

Ein besonderer Aspekt des Solarpakets soll an dieser Stelle nun gesondert erörtert werden: die vorübergehende Erlaubnis, Balkonkraftwerke in Kombination mit einem rückwärts laufenden Stromzähler zu betreiben. Wir erläutern, was die Gründe für diese Änderung sind, welche positiven Folgen sich daraus ergeben und wie lange diese Ausnahme erlaubt ist.

Balkonkraftwerk und alter Stromzähler – jetzt geht das

Der Gesetzgeber mag sich oftmals kompliziert ausdrücken, in der Sache ist er hier aber eindeutig – und erläutert das auch in den offiziellen Solarpaket-FAQs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: "Nach der Anmeldung der Balkonsolaranlage im Marktstammdatenregister wird automatisch überprüft, ob der Stromzähler getauscht werden muss. Der Austausch erfolgt durch den Messstellenbetreiber, der Balkonsolar-Betreiber muss nichts weiter veranlassen und die Anlage kann nach ihrem Anschluss sofort in Betrieb genommen werden. Bis zur ggf. notwendigen Installation eines Zweirichtungszählers ist der Betrieb vorübergehend mit jedem Stromzähler möglich, auch wenn dieser rückwärts läuft. Muss der Zähler ausgetauscht werden, entstehen keine Mehrkosten gegenüber dem vorher installierten Zähler. Im Rahmen des Smart-Meter-Rollouts werden ohnehin sämtliche alten Zähler bis 2032 gegen moderne Messeinrichtungen ausgetauscht."

Warum die Regierung diesen Schritt für Balkonkraftwerkbetreiber geht, beantwortet sie ebenfalls – und zwar im Dossier Solarstrom vom Balkon: "Neue Balkon-PV soll nicht dadurch verhindert werden, dass ein Zweirichtungszähler – also ein digitaler Stromzähler – eingebaut werden muss. Übergangsweise dürfen die Anlagen weiterhin die alten Ferraris-Zähler nutzen. Der bisherige Stromzähler läuft dann einfach rückwärts, wenn Strom eingespeist wird. Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren davon, denn das senkt die Strommenge, die sie bezahlen."

Ferraris-Zähler – was ist das?

Ein Ferraris-Zähler ist ein alter, mechanischer Stromzähler, der immer noch in vielen Haushalten den Energieverbrauch misst. Er besteht aus einer drehbaren Aluminiumscheibe, die sich zwischen zwei Spulen befindet – eine für Strom und eine für Spannung. Fließt Strom durch den Zähler, entsteht ein Magnetfeld, das die Scheibe in Rotation versetzt. Die Drehgeschwindigkeit ist übrigens proportional zur verbrauchten elektrischen Energie. Das bedeutet, dass sich bei hohem Energieverbrauch der Ferraris-Zähler schneller dreht.

Was der Ferraris-Zähler noch kann? Sich in die Gegenrichtung drehen, wenn Strom aus dem Hausnetz ins öffentliche Netz fließt. Das ist dann der Fall, wenn ein Balkonkraftwerk mehr Strom erzeugt, als von den angeschlossenen Geräten verbraucht wird. Zum Beispiel zur sommerlichen Mittagszeit, wenn die Bewohner ausgeflogen sind und nur Kühlschrank und Router ihre paar Watt abnehmen.

Mechanischer Drehstromzähler in einem Stromkasten
Der schwarze Kasten ist charakteristisch für den Ferraris-Zähler – mittig im oberen Bereich des Kästchen sitzt die Drehscheibe aus Aluminium. Foto: sidm - Matthias Schmid

Wie viel Geld lässt sich mit einem alten Zähler sparen?

Um die Frage nach der möglichen Ersparnis zu beantworten, beziehen wir uns an dieser Stelle auf die bewährte Faustregel, dass pro installiertem Kilowattpeak (kWp) an Solarleistung in Deutschland etwa 1.000 Kilowattstunden (kWh ) Strom von einer Solaranlage erzeugt werden. Ein Rechenbeispiel: Wer ein Balkonkraftwerk mit zwei Richtung Süden ausgerichteten, fast nie verschatteten 450-Watt-Modulen betreibt, der kann demnach mit rund 900 Kilowattstunden Strom pro Jahr rechnen.

Während es grundsätzlich vorteilhaft ist, eine möglichst hohe Eigenverbrauchsquote zu erzielen, also einen großen Teil des erzeugten Balkonkraftwerk-Stroms direkt zu verbrauchen, können sich Haushalte mit einem Ferraris-Zähler aktuell zurücklehnen. Denn überschüssiger Strom wird ja ins öffentliche Netz geleitet und eins zu eins in Höhe des jeweiligen Strompreises vergütet. Wer also zum Beispiel nur 50 Prozent von seinen 900 kWh Ökostrom direkt verbraucht und die restliche Hälfte ins öffentliche Netz einspeist, der dreht den ollen Ferraris-Zähler um die Summe von 450 kWh rückwärts. Je nach Strompreis, der in Deutschland derzeit zwischen 30 und 40 Cent beträgt, würde das im Jahr eine Ersparnis von 135 bis 180 Euro bedeuten. Aber wie lange geht das noch?

Dürfen alte Zähler nur vier Monate rückwärts laufen?

Wie weiter oben erwähnt, obliegt es dem sogenannten Messstellenbetreiber – laut Bundesnetzagentur ist das in der Regel der Netzbetreiber vor Ort – den Zählertausch zu veranlassen. Im Mai und Juni 2024, also kurz nach dem Solarpaket I, verbreiteten viele Online-Portale – darunter renommierte Adressen wie Computer Bild oder Chip – die Kunde, dass dies nur für die Dauer von vier Monaten erlaubt sein soll.

"Der Messstellenbetreiber hat an Zählpunkten von Steckersolargeräten innerhalb von vier Monaten (…) den Kunden mit einer modernen Messeinrichtung als Zweirichtungszähler oder einem intelligenten Messystem auszustatten" war beispielsweise bei Chip.de zu lesen. Als Start-Termin dieser Frist sollte die Anmeldung im Marktstammdatenregister durch den Balkonkraftwerk-Betreiber gelten.

Doch obwohl mehrere Quellen angeben, offizielle Gesetzestexte zu zitieren, findet sich diese Frist nicht im Bundesgesetzblatt, das Sie an dieser Stelle einsehen können. Dort ist nur von der Pflicht die Rede, dass der Messstellenbetreiber "mit Rücksicht auf seine Rollout-Planung" die Ausstattung mit einer modernen Messeinrichtung "unverzüglich" durchführen muss. Bis das geschieht, wird automatisch die Richtigkeit der durch den alten Zähler ermittelten Messwerte angenommen – und zwar "längstens bis zur Ausstattung mit einer modernen Messeinrichtung".

Vereinfach gesagt heißt das: Der Netzbetreiber ist in der Pflicht, die Haushalte nach der Balkonkraftwerk-Anmeldung proaktiv mit neuen Zählern auszustatten – er muss dies möglichst bald tun, es gibt aber keine konkrete Monatsfrist. Bis zum Tausch darf sich der Ferraris-Zähler rückwärts drehen und die Stromrechnung somit spürbar drücken.

Beim Autor dieses Textes hat es nach der Anmeldung eines Balkonkraftwerks im September 2024 übrigens bis zum April 2025 gedauert, bis sich der örtliche Netzbetreiber gemeldet hat, um den Ferraris-Zähler durch einen digitalen Zweirichtungszähler zu ersetzen.

Was tun nach dem Tausch, lohnt sich die Einspeisevergütung?

Wer nach dem Zählertausch dem ausgemusterten Ferraris-Gerät hinterhertrauert, der kann sich theoretisch für eine sogenannte Überschusseinspeisung anmelden. Dann erhalten auch Balkonkraftwerk-Betreiber eine Vergütung für den Stromanteil, der ins öffentliche Netz fließt – Besitzer größerer PV-Anlagen kennen das Verfahren.

Ob sich das für die weniger leistungsstarken Steckersolargeräte allerdings wirklich lohnt, steht auf einem anderen Blatt: Laut Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) werden seit Februar 2025 für Anlagen bis 10 kWp Leistung nur noch 7,94 Cent pro kWh Strom ausgezahlt. Das ist nur circa ein Fünftel der üblichen Stromkosten.

Anker Solarspeicher, auf einem Holzboden stehend
Wer sein Balkonkraftwerk in Kombination mit einem smart vernetzbaren Solarspeicher wie der Anker Solix Solarbank 2 Pro betreibt, der muss sich keine Gedanken um das Einspeisen oder alte Drehstrom-Zähler machen. Foto: sidm - Matthias Schmid

Machen wir die obige Beispielrechnung erneut auf: Damit wären die 450 kWh an überschüssigem Solarstrom plötzlich nur noch rund 35 Euro wert. Wer die Eigenverbrauchsquote – sei es mit besserer Kenntnis des eigenen Stromverbrauchs, die sich im Laufe einer Solar-Karriere meist automatisch einstellt, sei es durch Tricks wie das Timen von Wasch- und Spülmaschine – auf realistisch erwartbare 75 Prozent erhöht, der dampft diese Summe weiter ein. Auf unter 20 Euro. Hier ist dann auch für die meisten Solar-Enthusiasten der Punkt erreicht, an dem man dankend abwinkt und der Allgemeinheit seine überschüssigen Kilowattstunden spendet, anstatt sich das Prozedere anzutun...

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