Welche Farben gibt es?
Nicht nur beim Streichen, auch bei der Herstellung von Farben sind die Übergänge fließend: Es gibt nicht DIE Wandfarbe. Doch welche Farben gibt es eigentlich? Und wodurch unterscheiden sie sich?
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Wenn wir die Wohnräume streichen, machen wir das meist mit Kunstharzfarbe, in der Regel eine Dispersionsfarbe auf Acrylatbasis. Diese Farben sind heute überwiegend lösemittel-, oft auch konservierungsmittelfrei. Sie enthalten Wasser als Verdünner, aus Erdöl gewonnene Kunstharze als Bindemittel, mineralische Füllstoffe sowie Farbpigmente oder bei „Weiß“ Titandioxid. In Teilen kommen mittlerweile auch biobasierte Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen zum Einsatz.
Richtig natürlich wird es mit Naturdispersionsfarben, die ausschließlich Bindemittel natürlichen Ursprungs enthalten, also statt Kunstharz Pflanzenöle/-stärke, daneben ebenfalls Wasser, mineralische Füllstoffe und Pigmente. Je nach Hersteller und Philosophie kommt bei Naturfarben wie bei Kunstharzfarben zum Teil Titandioxid zum Einsatz – wenn es um Weißfarbe geht. In gebundener Form soll es auch unproblematisch sein. Wer es strahlend weiß haben möchte, kommt jedenfalls kaum drumherum.
Als dritte Farbart kann man Mineralfarben zusammenfassen. Hier kommen Bindemittel wie Kalkhydrat bei Kalkfarbe bzw. Kaliwasserglas (wasserlösliche Alkalisilikate) bei Silikatfarbe zum Einsatz. Es gibt auch einkomponentige Dispersionssilikatfarben, die nach DIN 18363 bis zu fünf Prozent Kunstharz enthalten dürfen. Des Weiteren erhält man Farben auf Silikatbasis, die keiner Norm entsprechen. Je geringer der Kalk- oder Silikatanteil aber ausfällt, desto geringer ist die schimmelhemmende und raumluftausgleichende Wirkung der Mineralfarbe.
Und welche Farben gibt es sonst noch? Hier könnte man schließlich die wenig definierte Gruppe der Lehmfarben nennen. Gebrauchsfertige Lehmfarben sollten eigentlich nur Wasser, Tonmehl, mineralische Füllstoffe und Pflanzenstärke/Zellulose als Bindemittel enthalten. Nicht selten handelt es sich aber um eine Acryl-/Kunstharzdispersionsfarbe mit nur leicht erhöhtem Tonanteil.
Wer also auf die raumluftreinigende Wirkung von Lehm setzt, sollte technische Merkblätter beachten und dabei auch schauen, ob die sogenannte Lehmfarbe konservierungsmittelfrei ist. Oder man greift zu meist bedenkenfreiem Lehm-Trockenpulver.
Wie aus den Beschreibungen dieser vier Farbarten schon hervorgeht, enthalten auch Wandfarben der gleichen Farbart oft unterschiedliche Zutaten, die aber selbst in den konventionellen Sortimenten – also bei Kunstharzfarben – durchaus nachhaltig sein können. Bei manchen konventionellen Farbherstellern ist beispielsweise von Bindemitteln die Rede, die zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen – nach dem sogenannten Massenbilanzverfahren.
Anwendung findet das zum Beispiel bei der BASF, die den konventionellen Farbherstellern die Grundstoffe liefert. Und laut BASF beruht das Massenbilanz-Prinzip der chemischen Industrie darauf, dass recycelte oder biobasierte Rohstoffe am Anfang in die Produktion eingespeist und rechnerisch dann den Endprodukten zugeordnet werden. Der Hintergrund für diese etwas merkwürdig erscheinenden Rechenmodelle ist, dass die chemische Industrie eben wenige Rohstoffe verwendet, um daraus Zehntausende unterschiedliche Produkte herzustellen.
Der Großteil der chemischen Produktion beginnt mit dem sogenannten Steamcracker: Mit Hilfe von Dampf (engl. „steam“) wird das Rohbenzin (Naphtha), das aus langen Kohlenwasserstoffketten besteht, aufgespalten (engl. „to crack“ spalten). Dabei entstehen kürzere Moleküle, die die Grundbausteine für die folgende Produktion darstellen, zum Beispiel Wasserstoff, Methan, Ethen und Propen, die dann vor allem zu Kunststoffen, Lacken, Lösungsmitteln oder Pflanzenschutzmitteln weiterverarbeitet werden.
Im Grunde kauft also ein Farbhersteller 100 oder ggf. auch 50 Prozent biobasierte Rohstoffe, die aber nicht zu exakt diesem Anteil im Endprodukt enthalten sein müssen, da sie nach dem kalkulatorischem Prinzip zugeordnet sind. Wie beim Ökostrom auch muss man also das Große und Ganze betrachten: Der Anteil biobasierter Ausgangsstoffe steigt aber durch den Kauf solcher Produkte, in dem Fall Farben. Und das ist auch gut so.
So nachhaltig sind Wandfarben
Welche Farben gibt es nun konkret im Handel? Um hier das Spektrum auch von nachhaltigen Wandfarben abzubilden, stellen wir im Folgenden einige fertig abgetönte Farbsysteme, gebrauchsfertige Lehm- und Kalkfarben sowie ein Lehm-Trockenpulver vor.
Alpina Pure Farben: Dieses fertig abgetönte Farbsystem erleichtert die Gestaltung, da man direkt aus sanften bis kräftigen Farbtönen auswählt, die auch gut untereinander harmonieren.
Fazit: Systeme wie Alpina Pure Farben geben einem komplette Farbfamilien an die Hand, aus denen Jeder harmonische oder auch kontrastreiche Kombinationen aussuchen kann – sehr praktisch. Technisch handelt es sich um eine matte Kunststoffdispersion der Nassabriebklasse 2. Die Farbe ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet, das Gebinde besteht aus mind. 70 Prozent recyceltem Kunststoff. 2,5 l kosten ca. 35 Euro.
Schöner Wohnen Naturell Kreidefarbe: Dieses Farbsortiment mit 20 pudermatten Farbtönen erleichtert ebenfalls die harmonische Wandgestaltung und eignet sich noch dazu für Möbel. Der Hersteller empfiehlt dann allerdings den abschließenden Auftrag eines transparenten Schutzanstrichs aus demselben Sortiment. Gut: Die Farben enthalten das bereits erwähnte, massenbilanzierte Bindemittel aus erneuerbaren Rohstoffen.
Fazit: Die Schöner Wohnen Naturell Kreidefarben sind ausgezeichnet mit dem Blauen Engel und punkten mit einem Beitrag zur Verwendung biobasierter Acrylatharz-Bindemittel, wobei die nachwachsenden Rohstoffe das Produkt theoretisch teurer machen. 2,5 l kosten rund 40 Euro. Dafür erhält man einen schön kreidig aussehenden, aber nicht kreidenden Anstrich.
Schöner Wohnen Naturell Wandfarben: Hier geht es jetzt mal nicht um Farbtöne, sondern nur ums Weiß. Das kommt bei diesem Sortiment allerdings in vier Varianten daher: Als Dispersions-Silikatfarbe, als Dispersionsfarbe mit Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen, als Lehmputz und Dispersions-Silikatfarbe mit hohem Lehmanteil.
Fazit: Da es hier um Farbe, nicht um Putz geht, lassen wir diesen beiseite und sagen: Dreimal Deckkraftklasse 1 (sehr gut), dreimal Nassabriebklasse 3. Alle Schöner Wohnen-Naturell-Wandfarben sind mit dem Blauen Engel ausgezeichnet (u. a. = konservierungs- und lösemittelfrei), und die Eimer bestehen aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff. 10 l kosten rund 47 bis 53 Euro.
Alpina Feine Farben: Die Alpina-Kollektion Feine Farben bietet als edelmatte Wandfarbe 32 fertig abgetönte Farbnuancen in verschiedenen Farbfamilien. Ist nicht das Passende dabei, können Sie 224 individuelle Farbtöne beim Händler anmischen lassen. Ergänzend gibt es Feine-Farben-Lacke, mit denen Sie Möbel und Bauteile farblich darauf abgestimmt streichen können.
Fazit: Auch wenn es hier um Wandfarben geht, liegt die Besonderheit dieses Systems nicht allein in den abgestimmten Farbtönen der Kunststoffdispersionsfarbe (Nassabriebklasse 3, Umweltzeichen Blauer Engel), sondern darin, dass es passend angemischten Lack dazu gibt. Man greift also auf ein wirklich komplettes Farbsystem zurück. 2,5 l Wandfarbe kosten ca. 40 Euro.
Haga Lehm-Kalkfarbe: Seit 70 Jahren arbeitet dieser Schweizer Hersteller mit Naturbaustoffen und bietet z. B. eine Wandfarbe an, die nur Lehmpulver, Tonerde, Sumpfkalk, Kalkstein-/Marmormehl und Zellulose enthält.
Fazit zur Lehm-Kalkfarbe: Gebrauchsfertige, konservierungsmittelfreie Naturfarbe, die Schimmel vorbeugt und feuchtigkeitsregulierend wirkt. Trotz guter Deckkraftklasse 2 (Nassabriebklasse 4) besteht die Möglichkeit einer arttypische Fleckenbildung durch unregelmäßige Trocknung. Ist also die einheitliche, strahlend-weiße Oberfläche gefragt, wird es schwer. 10 kg Haga Lehm-Kalkfarbe kosten ca. 94 Euro.
Auro Lehmfarbe: Diese Lehmfarbe erinnert in keiner Weise an braunen Lehm, sie ist nach dem Auftrag strahlend weiß. Wie konventionelle Farbe enthält sie dafür das übliche Titandioxid, das aber nur in Pulverform bei möglicher Einatmung als krebserregend eingestuft wird. Will man die Farbe abtönen, stehen Abtönfarben in 800 Farbnuancen bereit.
Fazit: Gebrauchsfertige Lehmfarbe auf ökologischer Rohstoffbasis ohne Kunstharzbindemittel, die gut deckt (Deckkraftklasse 2, Nassabriebklasse 3) und sich mit ähnlichem Ergebnis anwenden lässt wie übliche Kunststoffdispersionsfarbe. Die Auro Profi-Lehmfarbe Nr. 331 ist konservierungsmittelfrei und auf fast allen Bauuntergründen auftragbar. 10 l kosten ca. 100 Euro.
Kreidezeit Lehmfarbe: Auch das gibt es noch – Farbe, die Sie aus Trockenpulver mit Wasser selbst anrühren müssen. Konservierungsstoffe sind so von vornherein nicht nötig, angerührte Farbe muss dann aber auch direkt verstrichen werden – oder man friert Farbreste ein.
Fazit: Hier wird nicht mit Weiß geworben, sondern mit der matten Ästhetik echten Lehms, wobei der Weißtonanteil schon für Helligkeit sorgt. Die konservierungsmittelfreie Kreidezeit-Lehmfarbe basiert auf natürlichen Rohstoffen ohne Kunstharzbindemittel, man kann sie mit Erd- und Mineralpigmenten in 250 Farbnuancen abtönen. 7,5 kg Trockenpulver kosten ca. 75 Euro.
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